Was es sonst noch gab

Zum Beispiel den Laternenpfahl im Auto bei Glenfiddich, der sicher manchem Gast Rätsel aufgab. Oder die höfliche Aufforderung, doch auf dem Picknickplatz die Hunde vom Verschmutzen abzuhalten. Hier hätte es Verbote und Strafandrohungen gehagelt, weil anders die Leute auch nicht reagieren. In Schottland hält man sich auch ohne daran, der Platz ist sauber. Sind die Menschen in Schottland anders? Ich meine ja. Vernunft, Bodenständigkeit und Natürlichkeit vermisse ich häufig. An den Straßenrändern Schottlands habe ich keine wild entsorgten Abfallsäcke erlebt, sondern blühende Büsche. In Deutschland sollen immer "andere".

Auf alten Friedhöfen findet man gar manch berühmte Namen großer Clans, aber auch wahre Monumente an Grabsteinen, die zum Fotografieren verleiten. Und am Strand bei Ebbe sind die Muscheln und Farbkleckse an unterschiedlichstem Tang kleine Kunstwerke in Sand oder Wasser.

Es hätte noch so manches gegeben, was ein Bild wert war. Es existiert dort so viel Nettes. Lebenswert. Und in diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass selbst das Mobiliar der Cottages sich gewaltig von unserem unterscheidet. Die Schotten achten was sie besitzen, mögen Solides, Verlässliches,  Bewährtes und "das mit Geschichte", selbst wenn es hin und wieder sogar ein wenig kitschig erscheint. Sie protzen nicht... und sie haben noch immer etwas gegen die Engländer, denen im übrigen die meisten Ländereien gehören. Leider erwerben seit längerer Zeit gut betuchte Ausländer große Estates. Ein Land in Veränderung? Es wäre schade.

Ein Rätsel bleibt mir, wie es manche alleinstehende Menschen in ihren fernab von den Orten gelegenen Cottages aushalten. Fernab ist in Schottland ja wirklich fern. Kilometerweit kein einziges Haus. Daher kann man auch oftmals sehr lange Zeit auf schmalen Straßen unterwegs sein, ehe man einem einzigen weiteren Fahrzeug begegnet, nur Schafen und immer wieder Schafen. Sie laufen in riesigen Arealen frei umher. Auf den Straßen halten sie Gitterroste vom Verlassen ihrer angestammten Gebiete ab.




Die Pubs

... sind was Besonderes. Ein offener Kamin, das knisternde Holzfeuer, gemütliche Nischen mit Holzbänken und Holztischen, Holzrauch- und Whiskygeruch, Lachen, leisere oder laute Stimmen der Gäste am Thresen, wo man auch abschließend bezahlt oder zunächst mal bestellt. Das Klappern von Geschirr und Gläsern und immer wieder ein nettes Gespräch, denn die Schotten sind aufmerksam, direkt und freundlich. Im Moulin Inn, Pitlochry, war ich gern und mit meiner Tochter doch einige Male, meist als Abschluss einer Tagestour oder auch, um uns neue Tipps für die nächste zu holen. Beim letzten Aufenthalt ging ich mit arg wankenden Knien hinaus, denn die Whisky, zu denen ich eingeladen wurde, waren in ihrer Zahl eindeutig zu viele gewesen. Aber davon schrieb ich schon. Ach ja, der Whisky...

Die Schotten

... sind gastfreundlich und wahren freundliche Zurückhaltung. Eine Distanz, die sie auch für sich in Anspruch nehmen. Mag sein, dass sie im ersten Eindruck nicht so kontaktfreudig wirken, sie sind es. Man kommt recht leicht mit ihnen ins Gespräch. Ich bin stets viel Aufmerksamkeit und höflichem Respekt begegnet. Allerdings sei es, zumindest damals, vorwiegend eine "Männerwelt", sagt man.

Mir war aufgefallen, dass der Schotte das "Shoppen gehen" gerne zu einem wahren Familienfest macht. Na also, kann demnach nichts dran sein am sprichwörtlichen Geiz. Ich habe ihn jedenfalls nirgends vorgefunden, eher die ganz normale Sparsamkeit, egal wo man lebt.

Ihre Höflichkeit ist angenehm. Selbst auf Straßenschildern entschuldigte man sich für die Unannehmlichkeiten, die z.B. eine kleinere Baustelle bereitet. Und wenn man über Bodenwellen solcher Baustellen fährt, stehen zuvor so viele Schilder, dass es jeder irgendwann begreift - nicht durch Gebote oder Verbote, sondern als freundlicher Hinweis.

Während der Foot & Mouth Desease begegnete meiner Tochter und mir diese respektvolle Höflichkeit öfter. Als wir z.B. in den Glen Lyon hineinfahren wollten, mussten wir zunächst eine Reifenwäsche zur Desinfektion in Kauf nehmen. Das bedeutete einen kurzen Aufenthalt am Tor. Dort wurden die Reifen abgesprüht... aber nicht, ohne dass sich das Ehepaar wiederholt für die Unannehmlichkeiten, die sie uns damit machten, entschuldigt hätten. Sie erklärten uns sogar, was es für sie bedeuten könnte, wenn sie die Desinfektion nicht vornehmen würden. Entschuldigungen dafür, dass ihre Existenz durch diese damals ausgerufene Tierseuche komplett auf dem Spiel stand? Der Deutsche hätte auf Biegen und Brechen "gefordert". Solche Dinge erlebte ich in Schottland damals nicht.

Heißt aber nicht, dass sich der Schotte zu viel gefallen lässt. Er verteidigt, was er hat. Wunderbare Eigenschaften. Manchmal hatte ich geglaubt, irgendwie doch im für mich falschen Land zu leben. Die Deutschen erwarten, von anderen, der Schotte nimmt in die Hand. So war mein Eindruck und ich eben nie nur Tourist.
Ein stolzes Volk mit viel Selbstachtung, mit Mut und Stärke. Romantisch und  pragmatisch zugleich. Ich fühlte mich wohl bei ihnen.
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