Jagd und Natur

Einleitend

Die erste jagdliche Reise führte mich im Mai 1999 nach Blackhills. Bewohnt habe ich in diesen Tagen den 'Bungalow' im Blackhills Estate. Die Jagd galt dort vorrangig dem starken schottischen Rehbock, den sich in Medaillienqualität natürlich nicht jeder leisten kann. Doch die Jagd in diesem Revier machte alles wett, zumal ich nie zu den Trophäenjägern gehörte. Was für mich zählte, war das Erlebnis und „Drumherum“.

Ohne meinen Freund Max wäre Jagen in Schottland für mich nicht mal möglich gewesen: Zu teuer. In seinen besten Zeiten hatte er als Jagdreiseunternehmer Reviere bzw. Abschüsse auf der gesamten Insel gepachtet. Gejagt wurde bei ihm damals auf alles, was jagdbar war: Rot-, Reh-, Dam- und Sikawild, Pere David, Muntjac, Wildziegen, Chinese Waterdeer, Gänse, Enten, Fasane, Hasen u.m. Er stalkte selber, verfügte aber auch über meist aushilfsweise tätige Stalker. In diesen Jahren führte er die Gäste auf Estates in einer Gesamtgröße von 40.000 ha und zeitweilig zusätzlichen 100.000 ha im gesamten Gebiet von Schottland sowie einigen Estates in England. Seine Jagdgäste kamen, wie er erzählte, auch aus dem Adel, der Politik und Großindustrie.

Die guten Zeiten, doch allein auf Dauer geht nicht. Alter und Krankheiten ließen ihn zunehmend kürzer treten. Jagdgäste hatte er zwar noch im September/Oktober 2008, aber er selbst war doch schon sehr krank. Am 9. Dezember erlag er seinem dritten Infarkt.

Ein Mensch mit vielen Facetten,  je älter, um so misstrauischer. Gründe dafür gab es sicher. Andererseits ein gewaltiges Schlitzohr und „Vollunternehmer“. Als echter, gebürtiger bayerischer Sturschädel und mit viel Stolz ausgestattet, schwieg er aber  über jene Probleme, vor allem die in den letzten Jahren. Es kamen immer weniger Jagdgäste oder er verzichtete von selber auf manche, denn nur der Einnahmen wegen wollte er dort einige nicht haben. Er beklagte sich, auch in den Telefonaten zwischendurch, immer häufiger, fragte mich, was denn mit der deutschen Jagd los sei. Da kämen doch immer seltener wirklich gute Jäger. Damit meinte er nicht nur ihre Fertigkeiten, sondern vor allem ihre Motivation.

Ich selbst habe ihn beinahe pausenlos überlastet und unter Zeitdruck erlebt. Außer beim Jagen, denn da besaß er alle Ruhe der Welt. Ein guter Jäger, viel Wissen und draußen "fair bis in die Knochen". Schottlands Natur und „sein Wild“, auch seine Hunde und Pferde, standen an erster Stelle. Ein hartes Brot dort oben und so alleine. Mir gegenüber war er ein Freund, wohl weil wir in vielem auf einer Welle lagen.

Ich durfte einige Unterkünfte,  Dirnanean und Blackhills, kostenlos nutzen. Das Jagen selbst wurde fair mit meiner Tätigkeit in Deutschland fürs Unternehmen verrechnet.



Auf Jagd

Jagen in Schottland bedeute Jagen in und mit der Natur. Keine Bequemlichkeit des Jägers, sondern Laufen, Laufen... meilenweit. Durch die Heide, über Steine, Gräben runter, Gräben rauf und am Ende auf dem Bauch kriechen, egal ob nasser oder trockener Boden. Manchmal bedeute es auch langes Warten, Gebiete abfahren, glasen, wieder warten und falls es Anblick gab, der passte, fing es erst richtig an.
Jagen war Starten bei gutem Wetter, mittendrin von Regengüssen überrascht zu werden oder gar eisigen Winden und Schneegestöber trotzen zu müssen. Das A und O war somit eine praktische, wetterfeste und natürlich keine in der Landschaft auffällige Kleidung sowie einige Kondition.
Von sehr weiten Schüssen hielten wir beide nichts, also immer "so nahe wie möglich ran". Der Wind ist kritisch in den Highlands, aber Max kannte sich aus. Er jagte insgesamt seit 1967 in Schottland. Dort leben tat er seit 1984.

Vor dem eigentlichen Jagdbeginn stellte Max noch eine Bedingung: Probeschießen auf Scheibe. So konnte die Treffpunktlage des Gewehrs überprüft werden, diente gleichzeitig als Schießtraining und beruhigte die Nerven. Auch konnte Max dadurch herausfinden, was er seinen Jagdgästen zutrauen durfte. Meine eigenen Waffen benutzte ich selbst in Schottland nie. Er besaß ausreichend, ich war mit ihnen vertraut und es ersparte mir lästigen "Papierkram", auch unangenehme Überraschungen, denn Max vergaß in seinen letzten Jahren öfter einiges.

Erstaunt hatte mich seine Methode, das Gewehr bei ihm auf der Schulter aufzulegen, wenn ich zum Schuss kam. Er kniete sich hin, rammte seinen Stock vor sich in den Boden, der ihm selber damit als Stütze diente, und dann zählte er, hielt die Luft an - und ich drückte ab. Nicht verwunderlich, dass Max natürlich davon (wie ihn sowieso fast jeder Jäger hat) einen Gehörschaden besaß. Und er sagte, was Sache war. Baute man Mist, schoss schlecht, gab es ein Donnerwetter, aber auch das dicke Lob, wenn es gut war.

In Dirnanean haben wir zwar nicht gejagt, aber doch etliche Pirschgänge unternommen. Das Revier Lakewood ist mir in schöner Erinnerung geblieben. Auch nach Roxton, Bedfordshire, durfte ich ihn begleiten. Church Farm hieß das mich dort beeindruckende Domizil, was Max freilich sponserte.

Unsere letzte Reise führte uns an den Loch Shin in das Sallachy Hunting Estate. Gemeinsam geangelt haben wir beide auch. Auf dem Weg vom und zum Auto musste er damals nach kurzen Strecken schon stehen bleiben, konnte schlecht laufen. Manchmal glaube ich, er hatte beim letzten Besuch geahnt, dass es zu Ende geht. Durch Max habe ich jedenfalls Schottland kennen- und lieben gelernt.

Natur, Natur...

Atemberaubende (und das Wort trifft es wirklich genau) Licht- und Schattenspiele. Die oft überwältigenden Wolkenformationen, gepaart mit ersten Sonnenstrahlen, der Himmel in herrlichsten Farben, verzaubern die Landschaft. Wer viel auf den Ausdruck von Stimmungen in seinen Bildern legt, findet von Fröhlichkeit bis Mystik alles. Das Gras ist dunkler in seinem Gelb oder Grün, die Kontraste schärfer. Was sonst verschwimmt und ineinander überzugehen scheint, erhält hier klare Grenzen.
Völlig verregnete, dunkle Tage gibt es in Schottland selten. Falls der Tag mit Regen beginnt, kommt am Nachmittag doch die Sonne wieder hervor. Oft ziehen Regenwolken schon nach Minuten wieder ab oder das Wetter wechselt nach einiger Zeit völlig. Ein Sprichwort trifft es genau: "Gefällt dir das Wetter nicht, so warte nur ein Viertelstündchen!"
Man sagt, in Schottland kann man häufig alle vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. In einem Moment scheint es Herbst zu sein, im nächsten schaut die Landschaft wie im Frühling aus. Geht man im Frühling auf den Berg, startet man in einem Blütenmeer. Regen- oder Schneeschauer begleiten den Weg hinauf und auf dem Berg wird die Heide plötzlich zur Winterlandschaft. Oder es zieht unerwartet Nebel auf, wie im tiefsten November. Beim Abstieg taucht die Sonne wieder auf, man kommt ins Schwitzen, so kräftig brennt sie herab, Summertime. Alle Jahreszeiten in einem.

Obendrein überall Bäche und Seen, Lochs heißen sie, und irgendwann steht man vor der großen, sprich dem Atlantik oder an der Nordseeküste. Der Vogelreichtum war zu meinen Zeiten dort noch enorm. Fasane liefen über die Straße, Schneehasen hoppelten umher und Rotwild begegnet man sowieso häufig, vor allem im Frühjahr. An einem Abend hatten meine Tochter und ich ca. 2000 (kein Schreibfehler) geschätzt, die wir an den Hängen in den Highlands und neben der Straße sahen. Ich müsste Romane schreiben, um solche tollen Begebenheiten aufzuzählen.

Und dann die Heide. Die Hills und Highlands. Dieses kräftige Braun, Grüntöne dazwischen, der gelbe Stechginster und im Herbst diese umwerfenden Farben der Berge, wenn sie blüht. Die sind allesamt nicht mal sonderlich hoch, aber von nahezu Meeresspiegelhöhe aus betrachtet, auf der man sich sonst ja befindet, wirken sie oft mächtig. Eine rundherum außergewöhnliche Landschaft.






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